Neuronale Korrelate der PTBS

Um eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu diagnostizieren, muss ein Trauma als ätiologischer Auslöser der Symptomatik vorliegen. Auf Symptomebene zeigt sich ein Wiedererleben der traumatischen Situation (Intrusionen, Alpträume, Flashbacks), die Vermeidung von traumaassoziierten Reizen, eine abgeflachte emotionale Reagibilität sowie eine erhöhte psychovegetative Erregung (Schlafstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Hypervigilanz). Die Lebenszeitprävalenz einer PTBS liegt bei Männern bei 5-6% und bei Frauen bei 10-14% (Breslau, 2002). Ein wichtiger Prädiktor für die Ausbildung einer PTBS ist die Schwere des erlebten Traumas (Brewin, Andrews & Valentine, 2000). Meist entwickeln sich die initialen Symptome nach den ersten Monaten zurück, allerdings verläuft die Symptomatik bei einem Drittel der Betroffenen chronisch (Kessler, Sonnega, Bromet, Hughes & Nelson, 1995). Diese scheint vor allem mit langanhaltenden, rezidivierenden Traumatisierungen in Zusammenhang zu stehen. Bezüglich dieser chronischen Entwicklung wurde zusätzlich das Konzept der andauernden Persönlichkeitsveränderung nach Extrembelastung eingeführt, welche sich durch Veränderungen in zwischenmenschlichen Beziehungen nach der Traumatisierung, eine feindliche und misstrauische Haltung der Welt gegenüber, sozialen Rückzug, Gefühle der Leere, ständige Nervosität und das Gefühl der Entfremdung auszeichnet.
Eine nach Johnson, Cohen, Brown, Smailes und Bernstein (1999) häufig mit chronisch rezidivierenden, besonders sexuellen Traumatisierungen in der Kindheit, assoziierte Störung ist die der Borderline Persönlichkeitsstörung (BPS). Diese kennzeichnet sich durch ein Muster von instabilen Affekten und Emotionen in zwischenmenschlichen Beziehungen und im Selbstbild sowie einer stark ausgeprägten Impulsivität. Es wird von einer Dysfunktion der Emotionsregulation, die die Kernsymptomatik wiederspiegelt, gesprochen (Linehan, 1996). Die Lebenszeitprävalenz der BPS liegt bei 0,5%-2% (Samuels et al., 2002). Die Empirie zeigt, dass die Komorbidität von PTBS und BPS mit ca. 56% recht hoch ist (Zanarini et al., 1998a). Wegen phänomenologischer Ähnlichkeiten mit der PTBS und der hohen Prävalenz von Traumata in der Kindheit bei BPS-Patienten schlagen beispielsweise Driessen et al. (2002) vor, die BPS als komplexe traumaassoziierte Störung zu konzeptualisieren.
Mithilfe von Magnetresonanzthomographien (MRT) können Hirnareale von traumatisierten Patienten mit denen von Gesunden hinsichtlich Volumina und Aktivierung verglichen werden. Auch mithilfe der Positronenemissionstomographie (PET) können Veränderungen der neuronalen Aktivität aufgezeichnet werden. In Studien, die sich mit traumatischen Erinnerungen befassen, werden meist traumarelevante Stimuli benutzt und mit anderen zu verschiedenen Kontrollbedingungen verglichen. Befunde aus bildgebenden Studien weisen darauf hin, dass an PTBS erkrankte Personen Veränderungen in der Amygdala, im medialen präfrontalen Cortex und im Hippocampus aufweisen (Bremner, 2007). Besonders auffällig ist die Verringerung des Hippocampusvolumens bei traumatisierten Patienten im Vergleich mit den Teilnehmern der Kontrollbedingung, die beispielsweise durch Studien von Bremner et al. (2003) oder Gurvits et al. (1996) gezeigt wurde. Auch wurde vermehrt eine Verringerung des Volumens des frontalen Cortex festgestellt (Chen et al., 2006; Kitayama, Quinn & Bremner, 2006). Eine Studie von Rauch und Kollegen (1996), die eine Konfrontation mit individuellen traumarelevanten Stimuli durchführten, zeigte eine erhöhte Aktivierung der Amygdala, des anterioren cingulären Cortex (ACC) und des posterioren medialen orbitofrontalen Cortex (OFC). Bei der Imagination traumabezogener Erinnerungen stand PTBS mit einem erhöhten Blutfluss in der Amygdala und Teilen des ACC in Zusammenhang (Shin et al., 1997). Kriegsveteranen mit einer PTBS reagierten auf das Hören von Kriegsgeräuschen mit einer verstärkten neuronalen Aktivierung der Amygdala (Liberzon et al., 1999). Bei Korrelationen mit der Flashback-Intensität mit Veränderungen des lokalen Blutflusses zeigte sich ein positiver Zusammenhang mit der neuronalen Aktivität der Insel und des Hippocampus und ein negativer mit der Aktivierung des dorsolateralen präfrontalen und medial temporalen Cortex (Osuch et al., 2001). Lanius und Kollegen (2001) wiesen bei Patienten mit PTBS eine reduzierte Aktivierung des ACC und des medialen frontalen Gyrus sowie des Thalamus nach. Bezüglich der funktionellen Zusammenhänge verschiedener Hirnareale zeigten Gilboa et al. (2004), dass die Amygdala einen signifikanten Einfluss auf die Aktivität des ACC, des visuellen Cortex und des Gyrus subcallosa aufweist. Auch konnte nachgewiesen werden, dass PTBS Patienten bei der Konfrontation negativer nicht traumaassoziierter Reize eine Hyperaktivierung des ventromedialen PFC und der Amygdala aufweisen (Phan, Taylor, Fig, Britton & Liberzon, 2006). Hinsichtlich psychotherapeutischer Behandlung zeigte sich nach einer 16-wöchigen einzeltherapeutischen Intervention mit skriptbasierter Traumakonfrontation eine Verringerung der Aktivierung im dorsolateralen präfrontalen Cortex (Lindauer et al., 2008). Insgesamt weisen die Befunde der bildgebenden Verfahren mehrfach auf ein verringertes Hippocampusvolumen sowie eine erhöhte Aktivierung der Amygdala hin. Außerdem wird keine oder eine verringerte Aktivierung des medialen präfrontalen Cortex inclusive des ACC festgestellt.
Bezüglich der hohen Prävalenzraten von traumatischen Erfahrungen bei Patienten mit einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung (Borderline Persönlichkeitsstörung, BPS) wurden auch hier morphometrische Studien durchgeführt. Diese weisen auf ein verringertes Volumen der Amygdala und des Hippocampus hin (z.B. Brambilla et al., 2004; Driessen et al., 2000). Auch wurden strukturelle Veränderungen bei BPS in frontalen Cortexarealen in Bezug auf Volumenreduktionen des OFC und des ACC festgestellt (Tebartz van Elst et al., 2003; Hazlett et al., 2005). Zudem scheint die Präsentation aversiver Stimuli bei Personen mit BPS mit einer erhöhten Aktivierung der Amygdala sowie des ACC und OFC einherzugehen (Donegan et al., 2003; Schmahl et al., 2004). Bezüglich therapeutischen Interventionen wurde die neuronale Reaktion von BPS-Patienten nach stationärer Dialektisch-Behavioraler Therapie durch eine fMRT-Studie erfasst. Es zeigte sich, dass die hämodynamische Antwort auf aversive Stimuli im ACC, PCC und der Inselregion geringer ausfiel (Schnell & Herpertz, 2007).
Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Hypothese einer strukturellen sowie funktionellen Veränderung von Hirnarealen bei traumaassoziierten psychopathologischen Störungen als bestätigt anzusehen ist. Besonders die Reduktion des Hippocampusvolumens wird immer wieder durch Studien belegt. Ursächlich dafür wird eine Erhöhung des Cortisolspiegels diskutiert. Es ist jedoch nicht eindeutig belegt, ob durch traumatische Erlebnisse induzierter Stress zu einer Neurodegeneration, also einer Reduktion der neuronalen Vernetzung des Hippocampus, führt oder ob ein präexistentes reduziertes Hippocampusvolumen die Vulnerabilität für die Entwicklung einer PTBS erhöht (Gilbertson et al., 2002). Der PTBS könnte nach den Befunden eine Hyperaktivierung des limbischen Systems zugrunde liegen, welche durch eine fehlende Inhibition präfrontaler Regionen bestehen bleibt. Bei Personen mit BPS wird eine Assoziation von traumatischen Erinnerungen mit einem instabilen präfrontal-emotionsmodulierenden Netzwerk vermutet. Die limbischen Areale sind hyperaktiviert und werden nicht ausreichend inhibitiert, sodass dies die Intensität der Emotionen von BPS-Patienten erklären kann. Bei Studien mit gesunden Probanden zeigte sich vermehrt eine Aktivierung inhibitorisch bedeutsamer Areale wie beispielsweise dem sprachlichen Broca-Areal bei der Verarbeitung emotional und biografisch relevanter Stimuli. Somit wird eine vorwiegend corticale Aktivierung inhibitorischer und sprachlicher Hirnareale und eine eher geringe Aktivierung der limbischen Regionen vermutet.
Die dargelegten Studienergebnisse unterstützen Modelle der Entwicklung von PTBS, die diese auf eine störungsspezifische Repräsentation von traumaassoziierten Erinnerungen zurückführen. Es wird angenommen, dass Traumaerinnerungen bei Patienten mit PTBS in voneinander dissoziierten Gedächtnissystemen repräsentiert sind (Brewin, Dalgleish & Joseph, 1996). Diese Erinnerungen sind nach dem Modell mit einem situationsbezogenen Gedächtnis assoziiert und nicht durch andere Auslösereize bzw. intentional abrufbar. Die erfolgreiche Verarbeitung traumatischer Erinnerungen gelingt durch verbal zugängliche Erinnerungen, die in den autobiografischen Kontext integriert sind und die situativ abrufbaren Erinnerungen hemmen können. Somit könnte eine Hyperaktivierung limbischer Areale in Zusammenhang mit einer fehlgeschlagenen Inhibition von situativ abrufbaren Erinnerungen stehen. Hinsichtlich therapeutischer Interventionen ist in Bezug auf das Persistieren der PTBS-Symptomatik die Veränderung des pathologisch veränderten Traumagedächtnisses durch kognitiv-behaviorale Behandlung besonders bedeutsam. Dies kann beispielsweise durch Expositionstechniken, die Reduktion traumaassoziierter Hyperaktivität limbischer Strukturen und die Förderung einer höheren corticalen, sprachlichen Verarbeitung erreicht werden. Bei BPS-Patienten kann die Förderung der Achtsamkeit als Förderung präfrontaler Regulationsprozesse verstanden werden, die unter anderem die Reduktion der limbischen Hyperaktivierung bewirken könnte (Schnell & Herpertz, 2006).