BGH, 12.01.1972 - IV ZR 229/69
Die Erblasserin wurde durch das "Gegentestament" der Klägerin nicht gehindert, das notarielle Testament vom 8. Juni 1964 wirksam zu errichten. Der Revision ist nicht zuzugeben, daß dieses Testament entweder als sittenwidrig und nach § 138 BGB nichtig oder aber als Beweis dafür hätte angesehen werden müssen, daß die Erblasserin nicht mehr testierfähig war. Die Klägerin und die Erblasserin hatten zwar in ihren übereinstimmenden privatschriftlichen Testamenten jeweils die andere zur Alleinerbin eingesetzt. Hierdurch wurde jedoch keine erbvertragsähnliche Bindung dahin erzeugt, daß keine der Schwestern mehr ihren letzten Willen ohne Zustimmung der anderen abändern konnte. Zu einem solchen Ergebnis ist auch nicht über § 138 BGB zu gelangen. Es kann dahinstehen, ob das "Gegentestament" anfechtbar gewesen wäre, wenn die Klägerin zuerst verstorben wäre und sich herausgestellt hätte, daß ihre Schwester die korrespondierende Erbeinsetzung nachträglich widerrufen hatte. Daraus würde nicht folgen, daß in dem eingetretenen umgekehrten Fall das widerrufene Testament der Erblasserin als wirksam und die spätere letztwillige Verfügung als nichtig behandelt werden müßte. Auf die von der Revision als übergangen gerügte Bekundung des Zweitbeklagten kam es für alles dies nicht an, desgleichen nicht darauf, ob die Klägerin das "Gegentestament" nach Beratung mit ihrem Sohn errichtet hat. Soweit die Revision meint, aus der heimlichen Aufhebung des zugunsten der Klägerin errichteten Testaments ergebe sich die mangelnde Testierfähigkeit der Erblasserin, stehen dem die tatrichterlichen Erwägungen entgegen, nach denen die Erblasserin auch aus durchaus verständlichen Motiven zu ihrem Entschluß gelangt sein kann.