In dieser Kategorie werden aktuelle Entscheidungen verschiedener Rechtsgebiete zusammenfassend dargelegt. Diese zeigen sich insbesondere auch zu den in unserem Hause vorliegenden Fachgebieten zur Sachverständigenarbeit assoziiert. 
 

Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren - § 2229 Abs. 4 BGB §§ 26, 69 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 FamFG

Zu den Anforderungen an ein gerichtlich eingeholtes Sachverständigengutachten im Erbscheinsverfahren zur Frage der Testierfähigkeit bei möglicher vaskulär bedingter Demenz und gegebenenfalls überlagernden oder begleitenden passageren Zusatzsymptomen.

Ausgangslage
Es geht um die Beurteilung der Testierfähigkeit einer Erblasserin, die zweimal verheiratet gewesen ist. Die Erblasserin hat nach Heirat mit ihrem zweiten Ehemann am 12.05.1972 ein auf den 01.08.1972 datiertes gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet, in dem die Eheleute sich gegenseitig zu alleinigen Erben ihres Vermögens eingesetzt haben und weiterhin verfügt haben: „Nach dem Tode des Längstlebenden soll die gesetzliche Erbfolge in Kraft treten“. Dieses Testament ist ebenfalls am 22.11.2012 nach dem Tod der Erblasserin nochmals eröffnet worden. Der dann im Jahr 1984 vorverstorbene zweite Ehemann der Erblasserin hatte zuvor mit seiner ersten Ehefrau am 03.11.1966 ein nach dessen Tod nochmals eröffnetes, auf den 03.11.1966 datiertes handschriftliches gemeinschaftliches Testament errichtet, das denselben Wortlaut hat, wie das zuvor genannte gemeinschaftliche, auf den 01.08.1972 datierte handschriftliche Testament. 

Die Erblasserin hat dann am 18.10.2012 ein notarielles Testament errichten lassen. Diesbzgl. wird die Testierfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 als krankheitsbedingt beeinflusst beschrieben. Dieses hat das Gericht zur Validierung zugrundegelegt, ein entsprechendes Sachverständigengutachten zur Beurteilung der Testierfähigkeit der Erblasserin am 18.10.2012 von Amtswegen eingeholt. Gerichtlicherseits wurde bei der Beurteilung der Testierfähigkeit der Erblasserin Bezug zu dem hierzu eingeholten Sachverständigengutachten v. 01.03.2015 genommen. Weiter wurden auch weitere Aktenbezüge, wie ein Sonderband des Nachlassgerichts zur Nachlassakte, in dem sich u.a. auszugsweise Kopien aus der Betreuungsakte des AG Wiesbaden im Hinblick auf ein vorläufiges Betreuungsverfahren für die Erblasserin befunden haben, gerichtlicherseits Bezug genommen. 

Rechtliche Würdigung

Für die Validierung bzw. Feststellung einer Testierunfähigkeit ist zunächst von der folgenden Rechtslage auszugehen: „Gem. § 2229 Abs. 4 BGB ist testierunfähig, wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln“. 

In diesem Zusammenhang ist wesentlich, dass unter rechtlicher Bezugnahme derjenige als testierunfähig zu beurteilen ist, dessen Abwägungen und Willensentscheidungen nicht mehr auf einer dem allgemeinen Verständnis nach entsprechenden Würdigung der Ausgangslage beinhalten, hingegen solche Entscheidungsprozesse vielmehr wie krankheitsbeeinflusst wirken. Rechtlich heißt es diesbzgl. weiter, das „diese Unfreiheit der Erwägungen und der Willensbildung braucht nicht nur darin zutage zu treten, dass der Erblasser sich keine Vorstellung von der Tatsache der Errichtung eines Testaments oder von dessen Inhalt oder Tragweite, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen zu machen vermag; sie kann sich vielmehr darauf beschränken, die Motive für die Errichtung einer letztwilligen Verfügung entscheidend zu beeinflussen“. 

Entsprechend gilt unter rechtlicher Bezugnahme, dass „Testierunfähig ist daher auch derjenige, der nicht in der Lage ist, sich über die für und gegen seine letztwillige Verfügung sprechenden Gründe ein klares, von krankhaften Einflüssen nicht gestörtes Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von möglichen Einflüssen etwaiger interessierter Dritter zu handeln“ (vgl. u.a. bereits BGH, Urt. v. 29.01.1958 – IV ZR 251/57; BayObLG, Beschl. v. 17.08.2004 – IZ BR 53/04; OLG München, Beschl. v. 14.08.2007 – 31 Wx 16/07, jeweils zitiert nach juris). Weiter heißt es unter rechtlicher Bezugnahme, dass „dabei geht es nicht darum, den Inhalt der letztwilligen Verfügung auf seine Angemessenheit zu beurteilen, sondern nur darum, ob sie frei von krankheitsbedingten Störungen gefasst werden konnte“ (BayObLG, a.a.O. und OLG München, jeweils a.a.O., m.w.N.). 

Entsprechend ist im vorliegenden Fall wesentlich, dass für die Validierung der Testierfähigkeit in Relation zum Erkrankungszustand die Einholung eines fachlich fundierten Gutachten erforderlich bleibt. Dieses macht die präzise Beurteilung der Verfahrensakten erforderlich, zudem ist hierin eine fundierte Erörterung dieser Ergebnisse in Relation zur Erblasserin bzw. den dortig ersichtlichen Zusammenhängen zwischen Erkrankungen und der Beurteilung der Testierfähigkeit zum Datum der Testamentserstellung erforderlich.

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