In dieser Kategorie werden aktuelle Entscheidungen verschiedener Rechtsgebiete zusammenfassend dargelegt. Diese zeigen sich insbesondere auch zu den in unserem Hause vorliegenden Fachgebieten zur Sachverständigenarbeit assoziiert. 
 

Testierfähigkeit: Eine neurowissenschaftliche und juristische Erörterung

|   Fachartikel: Beurteilung der Testierfähigkeit

Bei der fachgutachterlichen Beurteilung der Testierfähigkeit sind grundlegende rechtswissenschaftliche, jedoch auch neurowissenschaftliche Fachkenntnisse erforderlich.

Rechtliche Grundlagen

 

Die Testierfreiheit ist ein Grundrecht (Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG). Danach kann der Erblasser eine Erbeinsetzung nach seinem freien Willen vornehmen und hierfür sind weder vernünftige noch von Dritten nachvollziehbare Gründe erforderlich (OLG Frankfurt/M. 1996). 

OLG Frankfurt/M., FamRZ (1996) 635-636

Die juristischen Voraussetzungen der Testierfähigkeit werden in §2229 BGB geregelt, dabei wird von dem Grundsatz ausgegangen, dass jeder Mensch mit Vollendung des 16. Lebensjahr testierfähig ist.  

Nicht  testierfähig ist nach §2229,IV BGB,

wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Es gilt der Grundsatz, dass die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet. Daher ist ein Erblasser so lange als testierfähig anzusehen, als nicht seine Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts nachgewiesen wird (OLG Frankfurt/M. 1996; BayObLG 1994) 

OLG Frankfurt/M., FamRZ (1996) 635-636; BayObLG, FamRZ (1994) 593

Rechtsprechung

Die Rechtsprechung, d.h. hohe deutsche Gerichte, haben zu der Frage der Testierfähigkeit Urteile gefällt, deren Bewertungsmaßstäbe in vergleichbaren Verfahren herangezogen werden. Die wesentlichen von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen für die Annahme einer Testierunfähigkeit hat das OLG München 2007 zusammengestellt.

OLG München (14.08.2007) 31 Wx 16/07, FGPrax (2007) 274-276

 

Grundsätzlich müssen drei Voraussetzungen, die sich aus dem Gesetzestext des §2229,IV BGB ergeben, gleichzeitig erfüllt sein, damit nach juristischen Maßstäben eine Testierunfähigkeit vorliegt:

 

  1. Krankhafte Störung der Geistestätigkeit bzw. Geistesschwäche oder Bewusstseinsstörung,
  2. Unfähigkeit, die Bedeutung der Willenserklärung einzusehen (kognitives Element) und nach dieser Einsicht zu handeln (voluntatives Element),
  3. Kausalität, d.h. die fehlende Einsichtsfähigkeit und die fehlende Freiheit der Willensbestimmung müssen auf der geistigen Störung beruhen.

Nach der Rechtsprechung liegt eine Testierfähigkeit nur dann vor, wenn der Erblasser in der Lage war, sich über die Tragweite seiner Anordnungen ein klares Urteil zu bilden und nach diesem Urteil frei von den Einflüssen etwaiger Dritter zu handeln (vgl. BGH,1958; BayObLG 1962,2004; OLG Köln,1991).

 

BGH, FamRZ (1958) 127-128; BayObLGZ (1962) 219-223; BayObLGZ (2004) 237-240; OLG Köln, FamRZ (1991) 1356-1358

 

Der Erblasser muss noch urteilsfähig gewesen sein in Bezug auf die Auswirkungen der testamentarischen Anordnungen auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen sowie über die Gründe, die für und gegen ihre sittliche Berechtigung sprechen (BayObLG,1991; OLG Köln,1991). 

BayOLG, FamRZ (1991) 990-991; OLG Köln, FamRZ (1991) 1356-1358

 

Neurowissenschaftliche Erörterung der Testierfähigkeit

www.testierfähigkeit.info 

 

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