Fachgutachten
Forschungsergebnisse z. Demenzen
Genetische Determination bei Alzheimer- Demenz
Die Alzheimer-Demenz zeigt verschiedenen Forschungsuntersuchungen zufolge genetische Zusammenhänge. Dabei gibt es v.a. familiäre Unterformen der Erkrankung, die nach einem dominanten Modell vererbt werden; diese Unterformen sind v.a. auch durch einen sehr frühen Erkrankungsbeginn (<55 Jahre) gekennzeichnet und machen ca. 1 % aller Alzheimer Fälle derzeit aus. Bei einem frühem Erkrankungsalter (<60 Jahre), jedoch ohne ein dominantes Mendelsches Vererbungsmuster, wird von der sog. „Early Onset Alzheimer’s Disease“ (EOAD) gesprochen. Bei Personen mit späterem Erkrankungsbeginn (>60–65 Jahre, Late Onset Alzheimer’s Disease, Abkürzung: LOAD) sind zwar ebenfalls familiäre Häufung zu verzeichnen, jedoch lassen diese sich nicht einem konkreten, dominanten Übertragungsmuster zuordnen. Trotz der hier beschriebenen Unterschiede hinsichtlich der Ätiologie und bezogen auf das Ersterkrankungsalter zeigen diese, nach Ersterkrankungsalter sortierten Unterformen, hingegen keine wesentlichen Unterschiede in der Progredienz, der Neuropathologie, der Behandlungsauswirkungen oder der Pathophysiologie der Erkrankung. Die sehr häufige, spät beginnende Variante der Alzheimer- Demenz, tritt dabei familiär signifikant gehäuft auf: Diesbzgl. Forschungsstudien belegen, dass das Erkrankungsrisiko bei Geschwistern von Erkrankten um den Faktor 2 höher als in der Allgemeinbevölkerung ist (siehe u.a. Heun et al. 2006). Diese Risikoerhöhung ist unabhängig vom Geschlecht vorliegend sowie zeigen sich die Ergebnisse auch so, dass das Erkrankungsrisiko bei Frauen regelmäßig höher ist, als dies bei Männern zutreffend ist.
Den Untersuchungsergebnissen zur spät beginnenden Alzheimer-Demenz liegen dabei mehrere Zwillingsstudien zugrunde. Die Forschungsstudien belegen dabei insgesamt, dass eine deutlich erhöhte Konkordanzrate bei eineiigen im Vergleich zu zweieiigen Zwillingen vorliegend erscheinen (siehe hierzu u.a. Bergem et al. 1997, 2002; Gatz et al. 2005, 2006; Bienvenue et al., 2011). Aus molekulargenetischen Forschungsstudien konnten im Hinblick auf die Alzheimer Erkrankung mit früh beginnenden Erkrankungsalter bestimmte Genmutationen festgestellt werden. Die monogen verursachten, früh beginnenden Subtypen der Alzheimer-Demenz zeigen sich zwar sehr selten, liegen jedoch bestimmten Genmutationen zugrunde. Bei den diesbzgl. Forschungsuntersuchungen konnte nachgewiesen werden, dass die Mehrzahl dieser Erkrankungstypen durch mehr als 100 verschiedene Mutationen in einem der drei nachfolgend benannten Genen verursacht zu sehen ist. Diese drei Gene kodieren für das Amyloid-Vorläufer-Protein (APP), für das Presenilin 1 (PS1) sowie für das Presenilin 2 (PS2). Diese Gene sind deswegen als kausale, spezifische Varianten der Alzheimer-Demenz des frühen Erkrankungsalters zu verstehen. Zwar haben die hiermit verbundenen Forschungsuntersuchungen primär Rückschlüsse bezogen auf das frühe Erkrankungsalter der Alzheimer-Demenz zugelassen, jedoch konnten auch Erkenntnisse hinsichtlich der Erkrankungsentwicklung zur Alzheimer Demenz des späten Typus abgeleitet werden. Diese Forschungsergebnisse zeigten insoweit auch auf, dass für die Alzheimer Erkrankung des späten Beginn auch die sog. Amyloidkaskade als pathophysiologischer Prozess eine Bedeutung einnimmt (siehe hierzu u.a. Caselli et al. 2006; Puzzo et al. 2015).
In einer Metaanalyse zur Alzheimer Erkrankung an über 125 Studien mit insgesamt 3543 Alzheimer-Demenz Patienten konnte festgestellt werden, dass v.a. Veränderungen des Temporallappens zur Differenzierung zwischen einer dementiellen Erkrankung und einem klassischen Alterungsprozess zugrunde gelegt werden konnten (siehe u.a. Poulin und Zakzanis 2002). Veränderungen des Temporallapens zeigten sich dabei v.a. in den hierfür wesentlichen Arealen des Mandelkerns, des Hippocampus und des inferioren Anteils des sog. temporalen Kortex, gegeben. Diese Forschungsergebnisse konnten wiederholt, u.a. durch die Forschungsgruppe Zakzanis et al., 2003, bestätigt werden.
Neuere Studien von Patienten mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen („mild cognitive impairment“, MCI), die deswegen ein hohes Risiko für die Entwicklung einer dementieller Erkrankung vom Alzheimer Typus aufweisen, zeigten in einer hiermit assoziierten Forschungsstudie, ebenfalls Veränderungen im Temporallappenbereich, v.a. konnte hierbei eine signifikante, beidseitige Volumenminderung im Hippokampus festgestellt werden (siehe u.a. Shi et al. 2009).
Pathophysiologie der Alzheimer Demenz
Aus verschiedenen Untersuchungen, u.a. aus den Studienuntersuchungen v. McKhann et al., 2011, zeigen sich Hinweise für den bei der Alzheimer Demenz zugrunde liegenden pathologischen Prozesse. Diese zeigen sich v.a. in:
In den Amyloid-Markern zeigen sich dabei v.a. eine
- Erniedrigung von ß-Amyloid im Liquor,
- Amyloid-Nachweis mittels PET
Als Marker für neuronale Läsionen zeigen sich v.a.:
Erhöhung von Tau und/oder phosphoryliertem Tau im Liquor,
Atrophie des medialen Temporallappens (dargestellt im MRT),
parietotemporaler Hypometabolismus (dargestellt durch FDG-PET).
Hinsichtlich der Alzheimer Demenz ergeben sich aus den verschiedenen Studien über die Jahre hinweg v.a. wesentliche Diagnosekriterien. Diese zeigen u.a., dass bei der Entwicklung einer Alzheimer Demenz, v.a. deutlich vor der Entwicklung hiermit assoziierter Krankheitssymptome, v.a. pathologische Veränderungen auf neurobiologischer und molekularer Ebene entstehen bzw. auch nachweisbar werden (siehe u.a. Dubois et al. 2016).
Bildgebende Verfahren bei der AD
Vielfach werden im Kontext der Beurteilung bzw. der Differentialdiagnose zur Alzheimer Demenz eine zerebrale Computertomografie (CCT) durchgeführt. Diese ermöglicht v.a. den Ausschluss einer wesentlichen zerebrovaskulären Kopathologie, hierbei insbesondere über den Nachweis zerebraler Raumforderungen, zerebrovaskulärer Infarkte und NPH, sprich, es werden hierdurch auch die bildliche Darstellung anderer Demenzursachen ermöglicht. Beim Einsatz eines sog. MRTs (Magnetresonanztomografie) werden zudem eine spezifischere Darstellung möglich. So können z.B. mittels des MRTs auch weitere Aspekte der Erkrankung, v.a. können hierüber die typischen Veränderungen bei der Alzheimer Demenz, u.a. die Atrophie des medialen Temporallappens, insbesondere auch des Hippokampus und des angrenzenden Gyrus parahippocampalis, objektiviert werden (siehe u.a. Hampel et al. 2002b; Pantel et al. 2003). Weiterhin zeigen sich z.B. im Hinblick auf den Corpus callosum, insbesondere der posterioren Anteile (siehe u.a. Teipel et al. 2003), pathologische Veränderung als Zeichen einer Alzheimer Demenz v.a. mittels des MRT ersichtlich. Im MRT werden auch die Liquorräume beurteilbar; so zeigen sich bei der Alzheimer Demenz typischerweise auch vielfach die äußeren Liquorräume stärker erweitert als die inneren Liquorräume; hiervon besonders beeinflusst erscheinen der Parietal- und Temporallappen; im Kontext der mittelgradigen Demenzstadien zeigen sich ähnliche Veränderungen auch auf den Präfrontallappen bezogen gegeben. Im Bild der Alzheimer Demenz zeigen sich dabei die Hirnareale der Perizentralregion sowie der primären Sehrinde häufig wie ausgespart.
Durch den Einsatz des MRTs können auch andere Formen neurodegenerativer Erkrankungen voneinander differenziert werden. Im benannten Verfahren zeigen sich z.B. bei der frontotemporale Degeneration typischerweise v.a. eine präfrontale, anterior und lateral - temporal ausgerichtete Atrophie. Weiterhin zeigen sich z.B. bei der Lewy-Körperchen-Erkrankung eine im MRT Befund gegebene, deutlich stärker okzipital betonte Atrophie der Hirnrindengebiete.
Subkortikale Demenz u. AD-Demenz
Im Alter sowie v.a. auch bei verschiedenen dementiellen Erkrankungen, v.a. auch bei der vaskulären Demenz, dabei weniger ausgeprägt bei der Alzheimer-Demenz, zeigen sich subkortikale Signalveränderungen (siehe hierzu u.a. Gootjes et al. 2004). Bereits in den prädemenziellen Stadien der Alzheimer-Demenz zeigen sich im Ergebnis eines MRT-Befundes entsprechende Signalveränderungen in den subkortikalen Bereichen. Zum Beispiel zeigen sich solche Nachweise im Sinne einer Hippokampusatrophie; diese werden vielfach, v.a. wenn diese mit Beeinträchtigungen von Gedächtnisfunktionen einhergehen, im Sinne eines Hinweises auf eine Alzheimer-Demenz gedeutet (siehe u.a. Dubois et al. 2007). Grundsätzlich zeigen Patienten in prädemenziellen Stadien auch eine Atrophie kortikaler Areale. Die differentialdiagnostische Untersuchung neurofunktioneller Netzwerke mit Hilfe der fMRT – Verfahren zeigen sich v.a. auch in Forschungsuntersuchungen zur Alzheimer-Demenz bedeutsam. So wird z.B. bei einigen fMRT Studien mit Untersuchungsaufgaben bezogen auf das sog. episodische Gedächtnis ersichtlich, dass diese bei AD-Patienten mit einer verminderten Hippokampusaktivierung beim Enkodieren neuer Information einhergehen. Dabei werden zudem auch Studien ersichtlich, wonach es sowohl zu einer gesteigerten als auch einer verminderten medialen Temporallappenaktivierung beim Enkodieren neuer Gedächtnisinhalte gekommen ist (siehe u.a. Johnsen et al. 2012).
Verlauf, Prognose u. Komorbiditäten
Ohne hinreichende Intervention ist v.a. bei der Alzheimer-Demenz, bei ohne progredienten Verlauf, mit einem durchschnittlichen jährlichen Fortschreiten der kognitiven Einschränkungen von ca. 2-4 %, u.a. bezogen auf Ergebnisse des Mini-Mental-Status, zu rechnen (siehe hierzu u.a. MMSE; siehe Folstein et al. 1975; siehe zudem Bracco et al. 1998). Dennoch gibt es große interindividuelle Unterschiede von 1–10 MMSE-Punkten zum Vortest pro Jahr.
Depression und Demenz
Depressionen im Alter und die Alzheimer Demenz, v.a. im Frühstadium der jeweiligen Erkrankungen, zeigen eine deutliche Syndromüberlappung. Depressive Symptome, insbesondere in Form von Rückzugstendenzen, Antriebsmangel und Apathie, gehören zu den häufigsten, zu Beginn einer Alzheimer Erkrankung, auftretenden, sog. nichtkognitiven Störungen (siehe u.a. Oppenheim 1994). Depressive Erkrankungen sind dabei einerseits v.a. wesentlich bei der Differenzialdiagnose der Alzheimer-Demenz. Zudem sind depressive Störungen auch als häufige komorbid auftretende Erkrankung bei der Alzheimer Erkrankung zu verstehen.
Neuropsychologische Diagnostik
Aufgrund der vielgestaltigen vaskulären Pathologie ist es insgesamt schwierig, die vaskuläre Demenzform präzise differentialdiagnostisch zu objektivieren. Eine hier beschriebene Übersicht über hiermit befasste Studien, insgesamt 27 Untersuchungsstudien, konnten die Unterschiede bei der neuropsychologischen Beurteilung der vaskulären versus Alzheimer Demenz untersuchen (siehe hierzu u.a. Looi u. Sachdev, 1999). Demnach konnte festgestellt werden, dass bei der vaskulären Demenz die verzögerte Wiedergabe im Vergleich zu Patienten bei der Alzheimer Demenz besser erhalten erscheint. Weiterhin zeigten sich im Hinblick auf Aufgaben zu den frontalen Exekutivfunktionen diese bei Patienten mit der Alzheimer Demenz insgesamt besser erhalten, als dies für Patienten mit einer vaskulären Demenz zutreffend erschien. Zudem zeigten sich in den weiteren Untersuchungsbereichen hingegen keine Unterschiede zwischen den beiden, benannten, unterschiedlichen Demenzformen. Entsprechend wird die hiermit verbundene Differenzierung der beiden Demenzformen so durchgeführt, als dass die neuropsychologische Diagnostik und Differentialdiagnostik sich grundsätzlich an der Beurteilung und Differenzierung einer Alzheimer-Demenz orientiert. Die spätere Differenzierung der beiden Demenzformen erfolgt hingegen v.a. nach den Kriterien soweit, als dass der Verlauf der beiden dementiellen Erkrankungsbilder hierfür zugrunde gelegt wird. D.h., dass die spätere ätiologische Zuordnung unter Berücksichtigung des Verlaufes der jeweiligen Erkrankung, erfolgen (siehe hierzu u.a. Tatemichi et al. 1990, 1993; Wetterling et al. 1996).
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Eine Hauptursache der altersbedingten reduzierten Erinnerungsleistung ist identifiziert:
Ein Team von Forschern der Columbia University Medical Center (CUMC), geführt von Nobelpreisträger Eric R. Kandel, MD, haben feststellen können, dass ein Mangel an einem Protein namens RbAp48 im Hippocampus einen signifikanten Beitrag zur altersbedingten Gedächtnisstörung darstellt und dass diese Form von Gedächtnisverlust reversibel zu sein scheint.
Die Studie wurde an postmortalen menschlichen Gehirnzellen und in Mäusen durchgeführt und ermöglicht hierbei konkrete Rückschlüsse auf die bei dementiellen Erkrankungen, altersbedingt einsetzende Gedächtnisstörung,vorzunehmen.