Erziehungsfähigkeit

Erziehungsfähigkeit beschreibt die multidimensionale Fähigkeit von Eltern, Verantwortung für Kinder zu übernehmen und Kinder zu erziehen. Für die Begutachtung von Erziehungsfähigkeit in familienrechtlichen Verfahren steht eine Vielzahl an Anforderungskatalogen und Empfehlungen zu Verfügung. Was psychologische Sachverständige in Deutschland unter dem Begriff Erziehungsfähigkeit verstehen und welche Aspekte der Erziehungsfähigkeit sie in der Praxis berücksichtigen, ist bisher nicht bekannt. In einer bundesweiten Fragebogenstudie wurden 600 rechtspsychologische und ärztliche Gutachter zu Inhalten und Methoden ihrer Begutachtungen befragt. Von den teilnehmenden 104 Sachverständigen (Rücklaufquote 17,3 %) gaben 90 % an, bei der Einschätzung von Erziehungsfähigkeit schematisch vorzugehen sowie die Faktoren Interaktions- und Kommunikationsfähigkeit, Pflege und Versorgung, Beziehungsfähigkeit, Bindungsfähigkeit, Vermittlung und Einhaltung von Regeln und Förderungsfähigkeit einzubeziehen. Einzelgespräche mit der Mutter führen 99 % der Sachverständigen, während 98 % mindestens ein Einzelgespräch mit dem Vater führen; 27 % sprechen gemeinsam mit beiden Elternteilen. Mit dem Kind führen 94 % der Gutachter regelhaft Gespräche, 84 % nutzen das freie Spiel und 78 % beides. Als Drittpersonen werden am häufigsten die Familienhilfe, neue Lebenspartner, Kita-Erzieher und das Jugendamt einbezogen. Etwa 77 % setzen standardisierte Testverfahren ein. Die Befragung zeigt eine große Heterogenität im Vorgehen familienrechtlicher Gutachter; hierbei stimmen das Verständnis des Konstrukts „Erziehungsfähigkeit“ und der Untersuchungsablauf stärker überein. Diskutiert werden Möglichkeiten, die Erfassung von Erziehungsfähigkeit in familienrechtlichen Begutachtungen stärker zu vereinheitlichen.